Warum spinnt hier denn keiner?

Kürzlich verfolgte ich einen thread auf der Facebook-Gruppe meines Wohnortes. Es ging um die Frage, wie man sich die Zukunft unserer Kleinstadt im Jahr 2030, ..40, ..50… vorstelle. Neue Ideen und „rumspinnen“ ausdrücklich erwünscht, so die Moderatorin. Eine Weile tat sich nichts. Dann erste Antworten: weniger Müll, besserer Landschaftsschutz, mehr Parkplätze, bessere ÖPNV-Verbindungen. Der thread plänkelte vor sich hin, es ploppten kurze Diskussionen auf und verebbten wieder. Dann tagelang Stille. Die Moderatorin holte den thread nochmal nach oben und formulierte die Frage neu. Es kamen der Wunsch nach mehr Parkbänken und einer besseren Straßenbeleuchtung. Zum Schluss der Hinweis auf die ohnehin klammen Kassen der Stadt. Und dann? Stille. Bis heute. Das fand ich denkwürdig.

Schaut mal übers „Heute“ hinaus
Natürlich unterschreibe ich die Vorschläge im Prinzip. Logisch. Niemand findet eine saubere Landschaft, Parkbänke oder gut beleuchtete Straßen doof. Doch ist das wirklich alles, worüber wir uns in der Zukunft Gedanken machen sollten? Sicher, wir können überlegen, welche Prioritäten wir setzen. Aber um Prioritäten ging es hier gar nicht. Es ging um viel mehr: die Frage, wie wir in Zukunft hier leben wollen. Doch keine der Antworten drehte sich um die rasanten Entwicklungen, die auf uns und unsere Stadt mittelfristig zukommen werden – in Sachen Verkehr, Demografie, Klima, Politik, Technologie, Digitalisierung. Doch wenn wir nur über das nachdenken, was unsere Situation momentan verbessert, blenden wir die Frage aus, wie wir irgendwann mit der Zukunft werden klarkommen können – wie auch immer die aussehen mag.

Mal konkret gesponnen
DIE Zukunft, DIE Politiker, DIE Gesellschaft… Verallgemeinerungen sind selten zielführend. Also spinne ich mal konkret: Wie stelle ich mir das Leben in unserer Kleinstadt – oder sagen wir, im Ländlichen, in 10, 20, 30 oder mehr Jahren vor?

Coworking als Verkehrsreduzierer: Overath hat ein massives Verkehrsproblem und Überlegungen für Umgehungsstraßen gibt es schon lange. Die topografische Lage der Stadt macht dies jedoch extrem schwierig. Ideal wäre also eine Reduzierung beispielsweise des Pendlerverkehrs durch die Schaffung von Remote-Arbeitsplätzen in Coworking Spaces. Homeoffice während des Corona-Lockdowns hat hierzu ja bereits erste Erfahrungswerte geliefert und wie die Initiative CoWorkLand zeigt, ist Coworking keines falls nur ein Modell für Großstädte.

Dorfladen für regionale Erzeugnisse: In zentraler Lage im Ort könnte es einen „Multifunktionsladen“ als innerörtlichen Treffpunkt und sogenannten „dritten Ort“ geben: Möglich wäre z.B. eine Verkaufsstelle für regionale Erzeugnisse (Lebensmittel), ein „Dorfbüro“, ein geleiteter Treffpunkt verschiedener Generationen, eventuell mit Räumlichkeiten, die auch für private Feiern/Veranstaltungen gemietet werden können. Ebenso könnten dort Kurse stattfinden sowie ggf. kulturelles Programm wie Filmabende, Vorträge, VHS-Kurse etc. Ein Förderprogramm des Landes NRW hat bereits über ein Dutzend „dritte Orte“ unterstützt.

Anlaufstelle Ehrenamt: Viele Menschen möchten sich ehrenamtlich engagieren, finden jedoch keinen Zugang zu einer für sie passenden Betätigung oder haben Scheu davor. Eine Anlaufstelle Ehrenamt, funktionierend nach dem Vorbild einer Freiwilligenagentur, könnte derlei Ehrenämter vermitteln – und umgekehrt denjenigen Unterstützung zukommen lassen, die dies benötigen. Idealerweise hat die Anlaufstelle Ehrenamt einen Überblick über sämtliche Ehrenamts-Suchenden und -Anbietenden der gesamten Region. Auch für diese Form bürgerschaftlichen Engagements gibt es ein Förderprogramm des Bundes.

Ausbau des (Tages)tourimus: Fernreisen haben im Zuge des Klimawandels einen enormen Imageverlust erlitten. Stattdessen entdecken viele Menschen den Reiz des Naheliegenden. Ein Stichwort hierfür: Mikroabenteuer oder „Abenteuer vor der eigenen Haustür“. Overath, mit seiner Nähe und Anbindung an den Ballungsraum Köln/Bonn, ist idealer Ausgangspunkt für Tagesunternehmungen, sofern es in dieser Weise vermarktet werden würde. Dieser Artikel aus der Süddeutschen Zeitung beleuchtet den Zusammenhang zwischen Mikroabenteuer und Tourismus.

Mehrgenerationenangebote: Besonders die jüngsten und die ältesten Mitglieder von Kommunen, sprich: Kinder und Senioren, brauchen spezifische Infrastruktur in puncto Versorgung, Betreuung und Beschäftigung. Pflegenotstand und Erziehermangel zeigen, dass es genau in diesen Bereichen akute personelle Engpässe gibt. Warum nicht einzelne Lebensbereiche von Kindern und Senioren zusammenlegen und in Mehrgenerationenprojekten auffangen? Die Initiative „Dorf macht Zukunft“ hat eine Mehrgenerationen- und sonstige Wohnprojekte zusammengestellt.

Klar ist: Rumspinnen alleine reicht nicht, aber es ist ein Anfang.

Christine Peter

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